Samstag, 16. Juli 2011

Rede von Eginhard Otte (Ex-BSW)

Liebe Familie Krohmer und Angehörige, verehrte Trauergäste,

wir nehmen Abschied von Dr. Peter Krohmer, und ich möchte als sein Mitarbeiter und Freund für die Kollegen unserer ehemaligen Firma, des Bodenseewerks Perkin-Elmer, sprechen,

denn, es war seine Firma und ihr galt sein ganzes Wirken und seine ganze Kraft.

Die Stationen seiner Karriere sind leicht aufgezählt, denn sie waren geradlinig und immer erfolgreich:

Nach dem Chemie-Studium an den Technischen Hochschulen Zürich und Stuttgart begann Peter Krohmer als frischgebackener Dr.rer.nat. im Januar 1967 beim Bodenseewerk Perkin-Elmer in Überlingen, zunächst als Leiter des Anwendungslabors und etwas später als Produkt-Manager für die Infrarot-Spektroskopie.

1975 wurde er Prokurist und Leiter der Hauptabteilung Marketing,

1982 dann Werksleiter mit der Verantwortung für Marketing, Entwicklung und Fertigung

und schließlich im Januar 1985 - in Folge der Pensionierung von Herrn Heinzle - Geschäftsführer des Bodenseewerks, als Nachfolger von Herrn Dr. Quadt.

1989, nach dem Verkauf des BGT an die Firma Diehl, war Dr. Krohmer dann alleiniger Geschäftsführer des Bodenseewerks und wurde 1990 zum Leiter von Perkin-Elmer's Inorganic Division bestellt mit der weltweiten Verantwortung für die Produktlinien AAS und ICP;

das ging einher mit der Ernennung zum Vice-President, einem Rang, den sonst kein außerhalb der USA operierender Europäer je erreicht hat.

Das Bodenseewerk war stark bestimmt durch die ewige Konkurrenz zur englischen Schwester- / und zur amerikanischen Mutterfirma. Gründe dafür waren unter anderen die deutlich höheren deutschen Lohn- und Lohnnebenkosten. Das heißt, die meisten Sorgen bereitete immer der eigene Konzern, seltener der Wettbewerb.

Also konnten wir nur kompensieren durch mehr Innovation, Qualität, Effizienz und Service - und – eben mit Dr. Krohmer, der von den Amerikanern hoch geschätzt wurde.

Das Bodenseewerk war s e i n e Firma, er hat für sie gelebt und gekämpft. Eine ganz besondere und ausgeprägte Begabung hat ihm dabei geholfen, wie schon Herr Dr. Quadt bei seinem 25-jährigen Dienstjubiläum festgestellt hatte, und was ich hier gerne wiederholen möchte:

"fortiter in re - suaviter in modo", frei übersetzt und auf Peter Krohmer adaptiert:

"Zielstrebig und hartnäckig, überzeugend und temperamentvoll in der Sache - konziliant, humorvoll und charmant im Ton"

Es war immer wieder beieindruckend, wie er mit heftigem Temperament, manchmal durchaus auch etwas laut, seine – u n s e r e – Sache vorgebracht und verteidigt hat, dabei immer unterlegt mit unanfechtbaren Fakten, Zahlen und Analysen ... und am Ende war ihm keiner böse.

Und - wenn es ihm einmal zuviel wurde, dann kam sein berühmtes: "Wir werden sehen"!

Oder unsere Betriebsversammlungen, in denen es mitunter auch komische Momente gab, wenn Peter Krohmer, der ja durchaus ein wenig vom Jahr 1968 geprägt war (obwohl er ursprünglich einmal "Privatier" hatte werden wollen) versuchte, den Vertretern der Gewerkschaft und auch unserem eigenen Betriebsrat die Grundzüge der freien Marktwirtschaft nahe zu bringen.

Und natürlich war es genauso in der Diskussion mit Kollegen und Freunden. Peter Krohmer hat alles hinterfragt, er hat manchmal provoziert, doch ohne zu verletzen, und er verbarg niemals seine Meinung, etwa um sich nicht auseinandersetzen zu müssen. Er hat auch hier mit Leidenschaft vorgebracht und verteidigt, was ihn bewegt hat und dabei - meine ich - gibt man dem Gegenüber auch viel von sich selbst.

Wie wir alle wissen, war das Ende des Bodenseewerks unfair und unverdient: Der Standort Deutschland wurde – aus bekannten Gründen - vom neuen PERKIN-ELMER Management geopfert.

Hier konnte selbst ein Peter Krohmer dann nichts mehr ausrichten, und er ist auch zum Opfer geworden. Doch:

Peter Krohmer hat bis zur Selbstaufgabe, - aber niemals bis zur Selbstverleugnung gekämpft.

Das, was Sie, verehrte Julia und Katharina Krohmer, in der Todesanzeige gesagt haben, gilt auch für die Firma, ihre Mitarbeiter und Freunde:

"Er war immer für uns da".

Vor ein paar Jahren trafen Peter und ich einmal zufällig ein paar frühere Kunden aus der Baseler Groß-Chemie: Diese waren von der neuen Firma Perkin-Elmer nicht mehr so angetan, sie differenzierten deutlich und nennen unter sich jetzt die alte Firma -- "Perkin-Elmer Classic"!

Peter Krohmer war "Perkin-Elmer Classic".

Schwäbischer Geiz? Nein, es ist ganz anders, liebe Freunde:

Als wir uns später gezwungener Maßen verkleinern und viele Mitarbeiter entlassen mussten, konnten sich einige von ihnen selbständig machen und mit einer sehr großzügigen "Mitgift" an technischer Ausrüstung und mit Initial-Aufträgen einen Neubeginn starten,

- und bei den sozial kritischeren Fällen hat er so oft die "5 gerade sein lassen" und hat die exakten Zahlen der Personalabteilung mit einem Federstrich vorteilhaft gerundet.

- Und dann die Sache mit der "Hohentwiel". Nachdem das neue Perkin-Elmer Management nicht willens war, ihm einen verdienten und würdigen Abschied zu geben, hat Peter Krohmer das einfach selbst gemacht und hat - genau am 15. Juli 1997, dem Tag seines Ausscheidens – a l l e aktiven und pensionierten Mitarbeiter sowie Freunde und das Management der ehemaligen Schwesterfirma BGT auf die "Hohentwiel" eingeladen; auf seine Kosten, versteht sich.

Es war ein glänzendes Fest und wer dabei war, wird es nicht vergessen.

Schwäbischer Humor? Es gibt ihn,

und Peter Krohmer hatte ihn in ungewöhnlichem Maße.

Wie sonst hätte er seine Kombattanten nach heftigen Auseinandersetzungen immer wieder - verschmitzt schmunzelnd - versöhnen können?

Manchmal auch leicht maliziös, zum Beispiel: Er stand an der Haustür vom Gehauweg 13, genüsslich seine Pfeife rauchend, ich etwa 10 m höher vorm Gartentor, zwischen uns Tom der Riesenschnauzer, und er rief mir zu: "kommet se nur runter, der tut nix".

Darunter, etwas friedlicher, weideten seine "Schääf"; Peter war so freundlich, mir dieses ur-schwäbische Wort ins Hochdeutsche zu übersetzen: "Das sind Schafe" !

Und noch etwas weiter unten war sein Weinberg. Krohmer's roter Burgunder war ein Spitzenwein, eines Spitzenkenners würdig.

Aber - man konnte ihn nicht kaufen, nur manchmal hat er eine Flasche verschenkt - ein Riesenopfer - wenn man bedenkt, dass die alljährliche Lese immer exakt 365 Flaschen ergeben hat, wie Peter allen versicherte.

Es hat auch mit Humor zu tun, wenn man sich nicht ganz so wichtig nimmt:

Zur Zeit des Aufkommens der Laptops in edlen Lederfuteralen auf den Konferenztischen, kam ein Herr Dr. Krohmer mit einem bauchigen, geflochtenen Einkaufskorb in die Firma. Er meinte, da ist mehr Platz und er finde alles sofort.

So auch in seinem Büro:
etwa 6 Stöße Papier zierten seinen Schreibtisch, alle vielleicht ½ Meter hoch, und das gleiche etwa zwanzig Mal auf dem Fußboden verteilt.

Und bei den vielen Besprechungen in seinem Büro passierte es immer wieder, dass – wenn wir eine bestimmte Unterlage brauchten – er zu irgendeinem Stapel ging, kurz die Höhe austarierte und unfehlbar das Richtige griff. Ich habe nie begriffen, wie man das macht.

Schwäbischer Geistesadel?

Irgendwann erzählte er mir, unter seinen Vorfahren seien auch Uhland und Möricke, ja sogar Kepler und Schiller zu finden. Das sei aber ganz normal in den besseren pietistisch-schwäbischen Familien.

Das verpflichtet natürlich - und Peter Krohmer blieb auch hier nichts schuldig:

Seine hohe Intelligenz ging einher mit umfassender, profunder Bildung, gepaart mit Humor und Menschlichkeit. Das ist eine seltene Kombination.

Peter hätte sicher noch vieles sehen, lernen und erleben wollen; ich denke daran, mit welcher Begeisterung er von Japan erzählte, als er seine Tochter Julia dort besuchte und mit welcher besonderen Freude er von seinem Enkel Jakob sprach.

Seine schlichte Begrüßungsformel "Wie geht's" haben wir noch alle im Ohr. Unser letztes gegenseitiges "Wie geht's" war kein gutes; es war ein paar Tage nach dem 28. April, als wir uns das letzte Mal gesehen hatten und noch keiner wusste, was kommen würde, bis er mir dann am Telefon von der Diagnose berichtete.

Jetzt gibt es für die ehemaligen Kollegen, von denen viele zu Freunden geworden sind, diese "Konstante Größe" nicht mehr, diese überragende Persönlichkeit, auf die man sich immer verlassen konnte und die zum Vorbild gereichte.

Der Abstand ist zu kurz, alles zu begreifen; es bleibt in diesem Augenblick nur, ihm für alles zu danken, was er für die Firma und ihre Menschen gegeben hat.

Die Töchter Julia und Katharina mit ihren Familien haben weit mehr verloren, nachdem erst im Februar ihre wunderbare Mutter dem Vater vorausgegangen war -- doch sie können mit Stolz und Dankbarkeit zurückblicken auf ihren außergewöhnlichen Vater.

Wir wünschen Ihnen viel Kraft - wir trauern mit Ihnen und unsere Gedanken sind bei Ihnen --- und -- bei Dir - Peter.

Meersburg, am 22. Juni 2011

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